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August 2021 Siragusas und die Shrimps

Was Michael Siragusa in Rheinfelden produziert, verkauft Mama Erika an der Fischtheke in der Migros Langendorf-Ladedorf: Schweizer Crevetten. Eine Erfolgsgeschichte und eine besondere Familiengeschichte.

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Es zuckt und zappelt in Michael Siragusas Hand: «Dieser hier hat die richtige Grösse: lang wie ein Kugelschreiber, dick wie ein Daumen», erklärt der Produzent. Zack! Der Shrimp hüpft aus seiner Hand zurück ins Becken zu seinen 80’000 Kollegen. Sie schimmern bläulich im Wasser. Mittendrin steht Siragusa mit dem Kescher. Seine Gummistiefel reichen bis zur Hüfte. Die tropische Hitze in der Rheinfelder Produktionshalle lässt den Schweiss auf Michael Siragusas Stirn perlen. 
Szenenwechsel. In der Fischtheke der Migros Langendorf liegt ein Dutzend Shrimps drapiert auf Eis. Erika Siragusa nimmt ein Exemplar in die Hand. Kugelschreiberlang, daumendick, blauschimmernd. «Kennen Sie schon die Shrimps aus Rheinfelden?», fragt sie eine Kundin. «Die werden ganz ohne Antibiotika produziert.» Geht es um die Shrimps, dann verkauft Erika Siragusa mit noch mehr Leidenschaft. «Meistens erzähle ich der Kundschaft, dass mein Sohn sie produziert», sagt sie und legt das Krustentier zurück in die Auslage.

Gegenpol zu importierter Massenware
Während des Chemiestudiums gründete Michael Siragusa gemeinsam mit seinem Kindergartenfreund Rafael Waber die Swiss Shrimp AG. Die Idee dazu kam vom dritten im Bunde, dem leidenschaftlichen Taucher Thomas Tschirren. Während seiner Tauchferien hatte er dermassen abschreckende Shrimpsfabriken gesehen, dass er beschloss, in der Schweiz eine nachhaltige Zucht aufzubauen. Frische Shrimps anstelle importierter Massenware. Alle drei zahlten 100 Franken auf ein Konto. Als eine Privatperson eine Viertelmillion investierte, ging es so richtig los. In Luterbach fanden sie mit der ehemaligen Zellulosefabrik ein grosses Gebäude, ersteigerten Kuhtränken auf Ricardo und bauten daraus Becken. «Unsere allerersten 2000 Shrimps zählten wir noch von Hand ab. Und am nächsten Tag waren sie alle weg», erinnert sich Siragusa an den traurigen Moment. Die Becken waren wohl nicht dicht genug.
«Wenn sich der Sohn gegen die Sicherheit und für eine Vision entscheidet, macht man sich als Mutter schon Sorgen. Aber ich habe gespürt, er will und wird das zu Ende bringen», erzählt Erika Siragusa. Die heute 63-Jährige hatte schon die Lehre an der Fleischtheke in der Migros absolviert. Später führte sie gemeinsam mit ihrem Mann einen Gemüse- und Früchteladen, ehe sie nach der Scheidung in die Migros zurückkehrte. Wieder an die Fleisch- und Fischtheke. «Und das als Vegi.»

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Aufgeben ist keine Option
Aufzugeben kam für die Firmengründer tatsächlich nicht mehr infrage. Mit dem neuen Areal in Rheinfelden kam das Glück. Die Anlage befindet sich direkt neben dem Werk Riburg der Schweizer Salinen. So kann die Swiss Shrimp AG nicht nur die Abwärme der Saline nutzen, sondern von nebenan auch gleich Salz beziehen. Denn die 40 Meter langen und 5 Meter breiten Becken sind mit Salzwasser befüllt. Zwei Mal pro Woche kontrolliert Chemiker Siragusa die Wasserqualität. Seit 2018 ernten sie Swiss Shrimps. «Aus dem Nichts haben wir etwas aus dem Boden gestampft. Heute führen wir die grösste Shrimpszucht in Europa», erzählt der 41-Jährige. Im Jahr 2021 möchten sie 32 Tonnen Shrimps verkaufen.

Von Rheinfelden via Schönbühl 
und Langendorf nach Selzach

Via Logistikplattform Schönbühl gelangt zwei Mal pro Woche eine Lieferung Shrimps in die Migros Langendorf. Zwischen Rheinfelden und Langendorf liegen 65 Kilometer. Und irgendwie auch 22 Jahre. Doch an der Fischtheke kommt beides zusammen: Das Schild der Swiss Shrimp AG leuchtet in der Fischtheke des Supermarkts noch blauer als die Shrimps. Erika Siragusa legt ein paar Crevetten auf die Eiswürfel. So bleiben die Krustentiere frisch. «Manchmal kontrolliere ich in einer anderen Migros, ob die Shrimps dort auch direkt auf Eis liegen und nicht etwa in einer Schale. Ich kann nicht anders.» Sagts und lacht schallend.
Längst ist Erika Siragusa keine Vegetarierin mehr. Das hat nicht nur mit ihrem Partner, einem Metzger, zu tun. Sie liebt Shrimps. Einmal pro Woche bringt Sohn Michael die Crevetten direkt aus der Produktionshalle zur Mama nach Selzach. Und dann gibt es die Shrimps gebraten in Olivenöl, mit Knoblauch, Petersilie, Peperoncini und etwas Zitronensaft. So mögen sie beide am liebsten.

Mehr Rezepte gibt es bei Migusto.  
 

Swiss Shrimp AG

In der Produktionshalle in Rheinfelden tummeln sich in 16 Zuchtbecken insgesamt über eine Million Shrimps in 48 Populationen. In den Becken wurden aus Kunststoff Strukturen und Rückzugsmöglichkeiten angelegt, die an Höhlen oder Schlingpflanzen erinnern. Als Nahrung erhalten die Shrimps Bio-Pellets, die vor allem aus Weizen, Soja sowie aus Fischmehl und Fischöl bestehen. In der geschlossenen Salzwasser-Kreislaufanlage entwickeln sich die Postlarven innerhalb von fünf bis sechs Monaten zu ausgewachsenen Tieren. Mit einem Kescher (Netz) holen Mitarbeitende die benötigte Anzahl Shrimps aus dem Becken und geben sie in einen Behälter mit eiskaltem Wasser. Durch das Schockkühlen werden die Shrimps schnell getötet – eine von Tierschutzorganisationen anerkannte Methode. Vom Eisbad gelangen die Shrimps rasch in die Verpackung und wenig später zu den Fischtheken der Migros Aare.

55 Kilo pro Monat

Seit März 2019 führt die Migros Aare die Shrimps der Swiss Shrimp AG im Sortiment. Durchschnittlich verkauft sie 55 Kilo pro Monat in den Filialen mit bedienter Fischtheke. An Festtagen wie Weihnachten und Ostern sind die Krustentiere besonders beliebt, dann sind es im Durchschnitt auch mal um die 80 Kilogramm.