Statt im Abfall landen krumme Rüebli in der Bouillon «Foodoo» von Mirko Buri.
April 2021 Frischer Fisch aus dem Seeland
Eigentlich hätten Lukas und Ramon Etter auf dem Gemüsebaubetrieb ihrer Eltern genug zu tun. Doch sie wollten gemeinsam mit ihrem Freund Timo Kyburz etwas Eigenes aufbauen. Daraus wurde die «Seeland Fisch AG», eine Eglizucht in Lyss BE. Ihre Vision: Mehr Schweizer Fisch auf Schweizer Tellern.
Es ist so dunkel als wäre man 10 Meter unter Wasser im See. Dann, wenn die Menschen kaum etwas sehen, fühlen sich die Fische in der Produktionsstätte Lyss am wohlsten. Und genau das zählt für die drei Egli-Produzenten Timo Kyburz, Lukas und Ramon Etter. «Wir wollen so naturnah und tierschonend wie möglich produzieren.»
Sie züchten die Egli in einer 800 Quadratmeter grossen Industriehalle. «Die Fische erhalten weder Zusatzstoffe noch Antibiotika – die Richtlinien in der Schweiz sind sehr streng. Die Aufzucht ist kontrolliert und für die Konsumenten nachhaltig, da die Seen nicht belastet werden», erklärt Timo Kyburz.
Der 29-Jährige verbringt als Geschäftsführer am meisten Zeit in der Anlage. Nach eineinhalb Jahren hat er sich an die Dunkelheit gewöhnt. Dafür ist das Klima angenehm, es herrschen immer zwischen 20 und 22 Grad. Wie in der Natur wird die Wassertemperatur über die Luft reguliert. Die Becken der Fischzucht sind so angeordnet, dass immer das gleiche, aufbereitete Wasser im Kreislauf mit einem kleinen Prozentsatz an Frischwasser in ihnen zirkuliert.
Unterdessen merkt Kyburz, wie es seinen Fischen geht. «Das sehe ich an der Farbe oder je nachdem, wie sie im Wasser stehen, wie gut sie fressen oder wie schnell sie wachsen.» Wirken die Tiere abwesend oder haben sie «keine Angst», wenn sich Menschen nähern, dann stimme etwas nicht. Neben dem eigenen Gespür hilft ein System, die Kreislaufanlage mit Pumpen, UV-Lampen, Becken und Geräte zu überwachen. Das System läuft ständig und schlägt auch mal Alarm mitten in der Nacht oder am Wochenende. Die drei wechseln sich ab mit Pikettdiensten.
Start mit 50'000 Sömmerlingen
Mit der ersten Lieferung im Juni 2019 kamen 50'000 Sömmerlinge nach Lyss. Heute tummeln sich im Durchschnitt 16 Tonnen Egli in 32 verschiedenen Becken – je nach Grösse. Jede Woche werden sie von Hand mit einem Kasten sortiert: Die zu kleinen Fische plumpsen durch die Rillen zurück ins angestammte Becken, die grösseren kommen eines weiter. Insgesamt gibt es acht Kreisläufe, in denen die Sömmerlinge zu schlachtbereiten Fischen heranwachsen. Dank der Kreisläufe kommt es zu keiner Durchmischung. Das gibt Sicherheit, falls es in einem Kreislauf zu Krankheiten kommt. «Etwas Dreck unter dem Fingernagel könnte schon reichen, um eine Krankheit einzuschleusen», erklärt Kyburz. Ehe die drei Produzenten die Halle betreten, tunken sie jedes Mal die Schuhsohlen in eine Wanne mit Desinfektionsmittel und desinfizieren die Hände.
Alles passiert am gleichen Ort: Vom Heranwachsen der Fische acht bis zehn Monate lang in den Becken übers Betäuben und Töten mittels Stromschlag bis zum Verpacken der Filetstücke. Dementsprechend mussten sich der gelernte Heizungsmonteur Timo Kyburz, Gärtnermeister Lukas Etter und der Gärtner Ramon Etter ins Zeug legen, um alles über die Fischzucht zu lernen. Sie erarbeiteten einen Businessplan, absolvierten Schulungen, Prüfungen und holten monatelang zahlreiche Bewilligungen ein.
Kurz nachdem es im Januar 2020 losgegangen war, brachte der Lockdown wegen Corona das Start-up-Unternehmen ins Trudeln. Es hilft, dass seit Dezember 2020 die Migros Aare die Egli der Seeland Fisch AG ins Sortiment aufgenommen hat. Dreimal pro Woche beliefern die drei seither die Migros Aare mit Filetstücken «Aus der Region. Für die Region.»
Frische Fische
Im Raum, wo die Filets den letzten Schnitt kriegen, ist es kühl Die drei Mitarbeitenden tragen Wärmeanzüge, während sie die Stücke in eine schöne Form schneiden. Das Radio läuft. Zu Beginn schaffte Kyburz diese Arbeit noch allein, doch unterdessen ist die Nachfrage zu gross. Heute verkaufen die drei Freunde 400 Kilo Filet pro Monat. «Tendenz steigend.» Sie produzieren nur so viele Filets, wie bestellt worden sind. «Kein Fisch verlässt gefroren diese Halle», sagt Timo Kyburz. Ihre Vision: «Mehr Schweizer Fisch auf Schweizer Tellern. Und möglichst frischer Fisch.»
Das mögen auch die drei Jungunternehmer: Ihr Eglifilet essen sie am liebsten «à la meunière», in Mehl gewendet und in viel Butter gebraten. «Für Fischknusperli sind sie schlicht zu schade», sagt Timo Kyburz.