«Ich bin sehr dankbar für diese Chance», sagt Sabawoon Khan, der eine Vorlehre Integration absolviert.
Marta ist da
Zweimal pro Woche greift Marta Beyene der dreifachen Mutter Anna Friedli unter die Arme. Was für die junge Familie ein Segen ist, bringt der Eritreerin viel Freude, Selbstvertrauen und ein besseres Deutsch. Beim Integrationsprogramm HEKS@home profitieren beide Seiten.
Bei Familie Friedli freuen sich alle, wenn Marta Beyene kommt. Der kleine Anton (2,5-jährig) weiss, nun kann er wieder das Bärenspiel mit ihr spielen und ihr viele Fragen stellen. Seine Mutter Anna Friedli kann sich um den acht Monate alten Basil kümmern, während Marta Beyene dessen Zwillingsbruder Magnus im Arm hält. Oder umgekehrt. In der Altbauwohnung im Berner Länggassquartier ist ganz viel Leben.
Das geniesst Marta Beyene. Zwar ist auch bei ihr zu Hause einiges los mit ihren zwei Mädchen Kenaan (17), Meron (6) und dem Buben Natnael (4). Aber wenn die Kinder in der Schule und im Kindergarten sind und ihr Mann, ein Logistiker, arbeitet, fühlt sie sich manchmal allein zu Hause in Ostermundigen. In Eritrea hatte sie im Service gearbeitet. In der Schweiz hat sie wenig Kontakt zu anderen und vor allem zu Schweizer Familien, weil sie wenig Deutsch spricht. Anton versteht sie. «Es reicht manchmal schon, wenn Marta eine Geste macht, und dann plappert Anton munter weiter», erzählt Anna Friedli.
Integration vereinfachen
Integriert bei einer Familie im Kleinen, soll es auch im Grossen besser klappen – so die Idee des Integrationsprogramms HEKS@home. «Viele Frauen aus Eritrea getrauen sich nicht, auf Schweizer Familien zuzugehen. Ich habe nun weniger Angst, mit ihnen zu sprechen. Und es tut mir gut, dass ich arbeiten kann», erzählt Marta Beyene am Stubentisch. Ausnahmsweise fehlen die drei Buben heute, obwohl Marta da ist. «Sonst könnten wir kein ruhiges Gespräch führen», erklärt Anna Friedli.
Von August 2019 bis März 2020 unterstützt Marta Beyene die Familie Friedli bei der Kinderbetreuung und Hausarbeit. Das Ziel des Integrationsprogramms HEKS@home ist aber nicht hauptsächlich, Schweizer Familien zu entlasten, sondern vor allem, dass die Migrantinnen Deutsch lernen und mehr erfahren über den Alltag im fremden Land. Darum sollte mindestens zur Hälfte der Praktikumszeit eine erwachsene Person zu Hause sein.
Marta Beyene ist selbst ein Zwilling. «Vielleicht passt es darum so gut mit unserer Familie», sagt Anna Friedli lachend. Martas Zwillingsschwester Sara lebt noch in Eritrea. «Meine Familie vermisse ich am meisten», erzählt Marta Beyene. Zweimal pro Monat telefonieren sie miteinander, gesehen haben sie sich nicht mehr, seit Familie Beyene vor sieben Jahren wegen der Unruhen in Eritrea in die Schweiz geflüchtet ist. «Ich bin gerne hier. Wir haben alles, und das Leben ist einfacher hier als in unserer Heimat».
Am Anfang ein Haushaltspraktikum
Rückblende. Als Anna Friedli und ihr Lebenspartner Pascal Jäggi erfahren, dass sie Zwillinge bekommen. vereinbaren sie einen Termin bei der Mütter- und Väterberatung. Dort erhalten sie beim Abschied einen Flyer von HEKS@home in die Hand gedrückt. «Eine gute Sache», denken die beiden. Schon ehe die Zwillinge auf der Welt sind, lernen sie und Anton die Eritreerin Marta Beyene kennen. Diese ihrerseits hat von ihrer Sozialarbeiterin vom Projekt erfahren.
Zwei Monate vor der Geburt der Zwillinge beginnt Marta Beyene das Haushaltspraktikum, spielt mit Anton, kocht zusammen mit Anna Friedli oder hilft beim Putzen. So sind die beiden Frauen bereits ein eingespieltes Team, ehe Basil und Magnus noch mehr Trubel in die Wohnung bringen. In strengen Zeiten, wenn alle drei Kinder gleichzeitig etwas wollen, ist Marta Beyene besonders wichtig für Anna Friedli. «Marta macht einfach. Sie spielt, wickelt, tröstet oder hält ein Kind im Arm. Sie spürt genau, was mir hilft.» Marta Beyene lächelt schüchtern, als sie die lobenden Worte hört. Auch sie lernt einiges an den zwei Morgen pro Woche bei Friedlis. «Zum Beispiel, dass man Kleider mit unterschiedlichen Temperaturen waschen kann», erzählt sie lachend. «Und natürlich Deutsch.»
Ein Arbeitsvertag zum Schluss
Wegen der Coronavirus-Pandemie enden im März 2020 die Integrationsprogramme auf abrupte Art – auch bei Friedlis. Nun können die Praktika von HEKS@home aber wieder stattfinden. Auch Marta Beyene sucht einen Platz bei einer neuen Familie, denn ein Praktikum dauert nur zwischen 6 und 12 Monaten. «Ich möchte noch viel mehr lernen», sagt sie. Familie Friedli trennt sich indes nicht ganz von Marta Beyene: Einen Morgen pro Woche wird die Eritreerin weiterhin vorbeikommen, sie hat von Friedlis einen Arbeitsvertrag erhalten. Marta bleibt da.
Integration im Haushalt
Viele Migrantinnen leben in der Schweiz sozial isoliert. Es fehlen ihnen Möglichkeiten, sich mit der deutschsprachigen Bevölkerung auszutauschen. Auf der anderen Seite gibt es für die Bevölkerung im Alltag nur wenige Möglichkeiten, Migrantinnen zu begegnen. Deshalb hat das Hilfswerk HEKS das Integrationsprogramm HEKS@home initiiert. Es vermittelt im Kanton Bern sechs- bis zwölfmonatige Haushaltspraktika im Umfang von 2 bis 16 Stunden pro Woche. Der Haushalt zahlt eine Pauschale von 40 Franken im Monat. Die Migrantinnen erhalten vom Haushalt eine Entschädigung von mindestens 9.60 Franken pro Stunde, zudem nehmen sie an einem vergünstigten Training zur Verbesserung der Deutschkenntnisse, der Orientierung im Schweizer Alltag und zur Vorbereitung auf das Praktikum teil. Besonders gefragt sind die Praktikantinnen bei Familien mit kleinen Kindern. Aber auch älteren Menschen, die nicht mehr so mobil sind, kann eine Praktikantin wertvolle Unterstützung bieten.
Das Kulturprozent der Migros Aare engagiert sich bei HEKS@home und beteiligt sich bei der Weiterentwicklung des Integrationsprogramms.