In der Migros Kalchacker in Bremgarten BE haben Lernende das Sagen.
«Ich bin sehr dankbar für diese Chance»
Als Sabawoon Khan sich zur Flucht entschliesst, ist er noch nicht einmal 15 Jahre alt. Inzwischen sind dreieinhalb Jahre vergangen, er wohnt in einer WG in Bern, geht erstmals in seinem Leben zur Schule und absolviert eine Vorlehre Integration in der Migros Ostermundigen.
In jenem Dorf, in dem Sabawoon Khan (18) aufgewachsen ist, erlaubten die Taliban nur gerade den Besuch der Koranschule. Da dies für ihn keine Option war, zog er zu seinem Onkel, der in einer grösseren Stadt in der Nähe von Kabul ein Geschäft für indische Kleider führte. Dort begann er bereits als Junge mit knapp 10 Jahren zu arbeiten. Der Kontakt mit den Menschen gefiel ihm. «Ich konnte zuerst gar nicht glauben, dass die Leute hier in der Schweiz einfach so den angeschriebenen Preis zahlen. Bei uns wird immer zuerst verhandelt», sagt er mit einem Schmunzeln. «Und im Laden haben wir den Kunden immer auch einen Kaffee serviert, man plauderte zusammen und nahm sich viel Zeit für die Beratung.»
Seine offene Art ist es auch, die Sabawoon in der Schweiz, trotz anfänglicher Sprachprobleme, viele Türen geöffnet hat. So auch die der Migros in Ostermundigen. «Ich bin sehr dankbar, dass ich diese Chance bekommen habe.» Er arbeite sehr gerne hier. «Das Team ist aussergewöhnlich nett zu mir, und da ich mich so wohl fühle, kann ich auch mein Bestes geben.»
Schnell unabhängig werden
Genau davon hatte Sabawoon geträumt damals, als er sich ganz allein und aus politischen und familiären Gründen zur Flucht entschlossen hat. In seiner Heimat habe er einfach keine Zukunft gesehen. Per Lastwagen und zu Fuss machte er sich auf den oft gefährlichen Weg über den Iran, die Türkei, Rumänien und Italien, bis er schliesslich in Basel in einer Asylunterkunft für Minderjährige ankam.
Er begann sofort, Deutsch zu lernen. Er wollte so schnell wie möglich arbeiten und unabhängig werden. Das ist ihm auch für die Zukunft sehr wichtig. Einen wichtigen Schritt dazu hat er bereits gemacht: Er wohnt mit einem Kollegen, der ebenfalls aus Afghanistan stammt, zusammen in einer WG in Bern. Auf die Frage, wo er sich denn in zehn Jahren gerne sähe, antwortet er: «Ich wäre gerne Besitzer eines Kiosks. Da verkauft man die unterschiedlichsten Waren, dennoch ist es übersichtlich und man ist nah bei seinen Kunden.»
Zuerst geht es nun aber darum, eine Lehrstelle zu bekommen. «Wenn er sich so gut weiterentwickelt, wie bisher, dann sehe ich auch schulisch keine besonders grossen Probleme», ist Marktleiter Jan Hölzel zuversichtlich.
Die Vorlehre Integration
Die Vorlehre Integration ist ein nationales, vierjähriges Pilotprojekt und wird vom Staatssekretariat für Migration mitfinanziert. Zielgruppe sind Personen mit Ausweis B oder F im Alter von 18 bis 35 Jahren und einem Sprachstand von A2 in Deutsch, die sich in zehn Berufsfeldern auf die berufliche Grundbildung vorbereiten wollen. In der Regel arbeiten sie an drei Tagen pro Woche im Betrieb und besuchen an zwei Tagen den Unterricht der Berufsfachschule.
Bei der Migros Aare können Integrationsvorlehren momentan in vier Filialen absolviert werden: in Köniz, Ostermundigen, Bethlehem und im Zentrum Oberland. Aktuell machen dies fünf anerkannte Flüchtlinge.