Navigation

Mit Grosis Rezept gegen Food-Waste

Statt im Abfall landen krumme Rüebli in der Bouillon von Mirko Buri. Mit Herz und Seele und Kochlöffel kämpft der ehemalige Spitzengastronom gegen die Verschwendung von Lebensmitteln. «Foodoo» steht heute auch in den Regalen von 80 Migros-Filialen und Voi Migros-Partnern.

Foodoo

«Nein, nein, ein Koch macht einen Fond», antwortete Mirko Buri der alten Frau auf ihre Frage, ob er eine Bouillonpaste ohne Palmfett hätte. Am nächsten Tag brachte sie einen Zettel in Buris Restaurant «Mein Küchenchef». In Krakelschrift stand darauf das Rezept für eine Gemüsebouillon. «Ich habe es an den Kühlschrank geheftet und vergessen», gesteht Buri. Das war vor drei Jahren.

Eine No-Waste-Küche
Das Thema Food-Waste beschäftigt den umtriebigen 36-Jährigen. In Köniz BE eröffnete Buri zusammen mit seinem Schwager Pierre-Yves Bernasconi vor vier Jahren ein Restaurant mit dem Ziel einer No-Waste-Küche, also ohne Lebensmittel zu verschwenden. Dazu gehört, dass jemand aus seinem Team bei den Bauern vorbeigeht, um die zu krummen Rüebli oder zu grossen Äpfel abzuholen, die es nicht in die Läden schaffen. Aber auch, dass Rüstabfälle weiterverwertet werden: Aus Rüeblischalen gibt es Karotten-Salz, aus Orangenschalen stellt er Orangenzucker her. In Buris Restaurant «Mein Küchenchef» kann man nicht nur essen, sondern auch Lebensmittel kaufen. Auch bei den Food-Save-Banketten in der Stadt Bern engagiert sich Mirko Buri seit vier Jahren mit Herz und Seele und Kochlöffel.

Foodoo-Bouillon wird geboren
Als ein Hotelfachschüler bei Buri ein Praktikum machte, sinnierten die beiden über vergessenes Wissen beim Kochen. Da erinnerte sich Buri an den Fresszettel am Kühlschrank. Er bat den Lernenden, das Rezept der alten Frau auszuprobieren. Nach nur fünfzehn Minuten hatte dieser die Bouillonpaste hergestellt. «Und sie schmeckte saugut», erzählt Buri lachend. Hinter dem Rezept steckt die «uralte Technik des Einsalzens». Als Buri realisierte, dass die Zutaten zu 70 Prozent aus Gemüse bestanden, jubelte er innerlich. Denn plötzlich wusste Buri, wie er all das Gemüse verwerten konnte, das «auf den Feldern verreckt»: in einer Bouillon. «Foodoo» war geboren. «Bouillon brauchen alle zu Hause und immer wieder.» Seit dem Film «Taste the waste» und der Geburt seines Sohnes Nilo vor sechs Jahren hatte es den Koch immer weiter weg von der Spitzengastronomie gezogen – hin zur einfachen Küche ohne Food-Waste. Sein Credo: «Nicht das Rüebli muss sich der Maschine anpassen. Sondern umgekehrt.»

Foodoo

Als der gelernte Koch Mirko Buri für seinen Sohn Nilo kochte, realisierte er, wie viele Lebensmittel auch in einem Privathaushalt verschwendet werden. Seither kämpft er gegen Food-Waste.

Foodoo-Factories
Vor zwei Jahren initiierte Buri die sogenannten Foodoo-Factories: Dort rüsten und schneiden Freiwillige zu Musik aussortiertes Gemüse, aus dem die Bouillon hergestellt wird. «Die Idee entstand in Anlehnung an die in Nordeuropa existierenden Schnippel-Discos, bei denen an einem Fest das Gemüse zu Suppe verarbeitet wird», erklärt Buri. In diesem Jahr fanden Foodoo-Factories mit über 1'000 Freiwilligen in Köniz, in Fribourg sowie in Worb statt. Bauern aus der Umgebung der jeweiligen Factories brachten das Gemüse, daraus produzierten Buri und sein Team jeweils ein bis zwei Tonnen Bouillonpaste. Heute hat Mirko Buri ein Netzwerk von rund 45 Bauern. Mit seinem wichtigsten Partner, «Gutknecht Gemüse» aus Kerzers, teilt er die Vision von weniger Food-Waste in der Schweiz.

Foodoo-Bouillon bei der Migros Aare
Vor zwölf Monaten nahm die Migros Aare die Bouillon in ihr Sortiment auf. Jürg Burri aus Mirko Buris Team hatte bereits Kontakte zur Migros Aare und begeisterte die Migros-Leute für «Foodoo». Nun steht die Bouillon im Regal von 80 Filialen der Migros Aare. «Wir bewegen uns sonst nur in der Food-Waste-Szene. Mit der Migros bietet sich eine Riesenchance, mehr zu bewegen», sagt Mirko Buri. Für die Migros Aare wird das Gemüse nicht an den Foodoo-Factories, sondern von der Stiftung Transfair in Thun gerüstet. So ist «Foodoo» nicht nur ein Projekt gegen Food-Waste, sondern bietet auch Menschen mit Beeinträchtigung eine Aufgabe. Zudem spendet Buri einen Teil des Erlöses von «Foodoo» an Organisationen, die sich gegen Food-Waste engagieren. Zwar können der 36-Jährige und sein dreiköpfiges Team nicht von «Foodoo» alleine leben. Doch der Tausendsassa hat neben seinem Restaurant und Laden genügend Projekte, um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können. Am Anfang stand ein Notizzettel mit einem Rezept. Die alte Frau sei leider nie mehr bei «Mein Küchenchef» aufgetaucht, bedauert Mirko Buri. «Aber ihre Bouillon, die wird bleiben.»