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28.01.2022 - News «Es geht immer irgendwie»

Seit 21 Jahren arbeitet Abdolmajid Mobasheri bei der Migros Aare und kommissioniert seit März als Picker für den Onlineshop My Migros im Shoppy. Das Arbeitsgerät mit Bildern ist für ihn ideal: «Mobi» ist gehörlos.

Picker_Mobi_Inhaltsbild

Immer strahlend im Shoppyland Schönbühl unterwegs: My-Migros-Picker Abdolmajid «Mobi» Mobasheri.

Wenn Marktleiterin Nicole Clément morgens ihre Mitarbeitenden begrüsst, dann tut sie das nicht nur mit Worten. «Guten Morgen», gebärdet sie mit ihren Händen. Denn seit März 2021 gehört auch der gehörlose Abdolmajid Mobasheri zu ihrem Team. Als Picker kauft er im Shoppy ein für den personalisierten Onlineshop «My Migros». «Auch die anderen Mitarbeitenden kennen unterdessen ein paar Gebärden», übersetzt Dolmetscherin Miriam Hermans für Abdolmajid Mobasheri. Dieser strahlt dazu – wie fast immer. Im Laden, da gefällt es ihm, «weil da so viel los ist». Wo es wuselt, da fühlt er sich zu Hause.

Und manchmal ist es ganz einfach. Zum Beispiel bei seinem Namen: Diesen verkürzt Abdolmajid Mobasheri kurzerhand zu Mobi. Auch sonst weiss sich der 53-Jährige zu helfen. Fragen Kundinnen und Kunden im Laden nach bestimmten Produkten, zeigt er auf sein Schild am Hemd. Darauf steht: Ich bin gehörlos. Dann lässt er sie in sein Handy tippen und das Produktbild zeigen. Manchmal holt er eine Arbeitskollegin oder nutzt einen Google-Dienst. «Es geht immer irgendwie.»

Perfekt: Das Kästli mit Bildern

Das Smartphone an Mobis Arm zeigt den digitalen Einkaufszettel. Die Waren sind in der Reihenfolge aufgeführt, wie man sie im Laden findet. Haben die Mitarbeitenden das richtige Produkt gescannt, leuchtet es grün. Als Mobi zum ersten Mal «das Kästli mit den Bildern» sah, fand er sofort: «Wow, cool. Ein idealer Job für Gehörlose.» Zuvor hatte er über 20 Jahre in der Bananenreiferei der Migros Aare gearbeitet.

Mobi will sich nicht verstecken. «Ich bin einfach so und will voll arbeiten.» Auch wenn er dafür bisweilen einen Umweg machen muss. Mobi kam 1968 in der Hauptstadt Irans auf die Welt und wuchs mit sechs Geschwistern auf. Drei Geschwister sind ebenfalls gehörlos, darunter sein Zwillingsbruder Rahman. Die vier besuchten gemeinsam eine Gehörlosenschule in Teheran. Später machte Mobi eine Lehre zum Elektrotechniker, ehe er seinem Zwillingsbruder nach Japan folgte. Dort arbeitete er in der Abpackerei einer Geflügelfirma, später in einem Restaurant in Chiba und zuletzt als Metzger in Himeji. Weil es Probleme gab mit seiner Aufenthaltsbewilligung, kehrte er in den Iran zurück.

Iran-Japan-Schweiz

Dort erfuhr er, dass Parisa, eine ehemalige Klassenkameradin, in der Schweiz lebt. Als sie für Ferien nach Teheran kam, trafen sich die beiden, verliebten sich, heirateten und Mobi folgte 1999 seiner ebenfalls hörbehinderten Frau in die Schweiz. «Im Iran sehe ich keine Zukunft für mich als Gehörlosen. In Japan war es schon viel einfacher und in der Schweiz habe ich am meisten Möglichkeiten.»

Doch selbst hier ist nicht alles möglich. Auch in der Schweiz kann er seinen Traumberuf – Automechaniker - nicht lernen oder ausüben: «Dazu müsste ich das Motorengeräusch hören können.» Mobi hört indes nur, wenn etwas direkt neben ihm auf den Boden fällt oder ganz laute Pfiffe. Vieles «kompensiert er mit den Augen».

In seiner Freizeit macht Mobi gerne Ausflüge mit seinen beiden Söhnen oder mit anderen Gehörlosen. Zudem chattet er oft via Webcam.

Angekommen und angenommen

Als Picker für My Migros ist Mobi glücklich. Zackig schiebt er den Rollwagen durch die Gänge im Shoppyland und kauft für die Kundschaft ein. Manchmal geht er bei der Teamleiterin Brotwaren im Laden vorbei, zum Beispiel, wenn er eine Frage hat. Denn sie beherrscht die Gebärdensprache perfekt. Dann schauen die anderen Mitarbeitenden und Kundinnen und Kunden gebannt zu. Hat Mobi alle Einkäufe kommissioniert und Feierabend, winkt er den anderen Mitarbeitenden zu. Und sie gebärden zurück: «Einen schönen Abend.»