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Juni 2020 «Gemeinsam schaffen wir das»

Am 27. Mai hat der Bundesrat weitere Lockerungen in Aussicht gestellt, so langsam kehren wir wieder in eine Normalität zurück. Dennoch hat die Corona-Pandemie einiges verändert. Auch bei der Migros Aare. Wir blicken mit Geschäftsleiter Anton Gäumann nach vorn, aber auch noch einmal auf die letzten drei Monate zurück.

Inhaltsbild Toni

Was bedeutete das Bekanntwerden des Coronavirus zu Beginn für die Migros Aare?
Wir haben sehr früh in den Krisenmodus gewechselt und Ende Februar den Krisenstab einberufen. Anfänglich haben wir uns noch physisch getroffen,
aber je länger, desto dezentraler wurde es. Das ist für die Migros nichts Neues. Denn unser Wirtschaftsgebiet ist sehr gross und Homeoffice gab es bei uns schon lange. Das geht in der Betriebszentrale auch sehr gut, aber der ganze Verkauf läuft vor allem physisch ab, genauso wie die Logistik.

Waren Sie selbst weniger im Büro?
Ich habe ein paar Konferenzen von daheim aus gehalten. Aber ich war jeden Tag entweder in Schönbühl in der Betriebszentrale, in einer unserer Filialen oder in der Logistik. Um vor Ort zu sehen, wo die Herausforderungen liegen und um darauf reagieren zu können.

Sie sind verantwortlich für 12’000 Mitarbeitende. Hatten Sie schlaflose Nächte?
Es war eine enorm intensive Zeit, die uns viel Kopfzerbrechen bereitete. Für uns stand von Anfang an im Vordergrund, wie wir den Betrieb ufrechterhalten können. Es ging darum, den Leuten an der Front möglichst den Rücken freizuhalten, damit sie arbeiten können. Die Solidarität war gewaltig, wir hatten in Spitzenzeiten rund 4’000 Leute aus Fachmärkten, Gastronomie oder Freizeit und Bildung, die bei uns in den Supermärkten aushalfen. Oder nehmen wir den Transport. Da sind uns zum einen die Behörden entgegengekommen mit Lockerungen für Nachttransporte und der Aufhebung der Sonntagsverbote für Lebensmitteltransporte. Zum anderen haben wir zum Beispiel zusätzliche Chauffeure eingestellt, die in Kurzarbeit waren, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Die konnten zwar alle fahren, aber ein Sattelschlepper ist doch etwas anderes als ein Car. Also wurden sie geschult und dann in die Flotte integriert.

Was war für Sie persönlich die grösste Herausforderung?
Corona ist das Aussergewöhnlichste, das ich in meiner gesamten Karriere
erlebt habe. Die mit Abstand grösste Herausforderung. Ich habe gelernt, mit Unsicherheiten zu leben. Aber speziell an Corona ist, dass es kein kalkulierbares Ende gibt. Wir haben keine Planungssicherheit und müssen unseren Mitarbeitenden dennoch Sicherheit vermitteln. Das ist ein grosser, manchmal schwieriger Spagat.

Was bedeuteten die Vorgaben des Bundesrates?
Das Schwierige war, dass wir kaum Vorlauf hatten und sich zu Beginn die Vorgaben fast täglich änderten. So hiess es am Freitag, 13. März, dass wir ab Montag, 16. März keine nicht-lebensnotwenigen Artikel mehr verkaufen dürfen. Übers Wochenende mussten wir also ein Absperr-Konzept erarbeiten, das bereits am Montag-Morgen umgesetzt sein musste. Hinzu kam, dass jeder Kanton, ja fast jede Gemeinde die Vorgaben anders interpretierte und wir die Umsetzung jeweils fast regional anpassen mussten. 

Wie wurde das Zählen der Kunden sichergestellt?
Anfänglich haben wir mithilfe von Mitarbeitenden aus den Fachmärkten Einlasskarten verteilt, welche dann auch wieder desinfiziert werden mussten. Unsere Informatik entwickelte daraufhin quasi übers Wochenende eine App, die bereits in der folgenden Woche in einigen Supermärkten pilotiert und dann verbreitet wurde. Fortan haben die Mitarbeitenden mit dem iPad die Kundinnen und Kunden gezählt. Dennoch benötigte das Zählen mit der App viel Personal. Aus diesem Grund wurden elektronische Zählsysteme eingeführt

Dann galt es, die Mitarbeitenden in den Kassenboxen zu schützen?
Darauf legten wir sofort grossen Wert und installierten Plexiglasscheiben. Von der Verkaufsstellenplanung über Inneneinrichtung, Polydesign bis Caterings Services packten aus verschiedensten Bereichen Mitarbeitende mit an. So verfügten wir über grosse Fahrzeuge, mit denen die Scheiben ausgeliefert werden konnten. Durch ein einfaches System mit Klammern war die Montage für alle leicht machbar. In einer zweiten Schritt kamen dann auch die Take-aways und Kundendienste dazu.

Wie hat sich das Virus auf das Einkaufsverhalten ausgewirkt?
Sehr unterschiedlich. Das Kundenverhalten hat sich komplett verändert. In einer ersten Phase legten die Leute Vorräte an, danach wuchs die Nachfrage nach Frischprodukten. Auch weil viel mehr zuhause gekocht wurde. Auch kauften die Leute anders ein. Kaum jemand kam mit dem öffentlichen Verkehr, man mied längere Anfahrten. Das hat dazu geführt, dass sich der Umsatz in grossen Filialen zum Teil um mehr als die Hälfte reduzierte, während er in den kleinen Läden, die nahe am Wohnort der Leute sind, deutlich zunahm. Auch im Laden verhielten sich die Menschen anders. Wir stellten fest, dass am Abend kaum jemand einkaufte. Man wollte sich einfach schnell versorgen. In den Laden, einkaufen, wieder raus. Das war früher anders, da nahm man sich Zeit, um sich inspirieren zu lassen.

Wie hat sich das alles auf die Geschäftszahlen ausgewirkt?
Wir rechnen derzeit damit, dass wir über alle Geschäftsbereiche hinweg zwischen 20 und 30 Prozent weniger Umsatz gemacht haben als budgetiert.

Und das obschon die Nachfrage gestiegen ist und der Online-Handel florierte?
Ja. Wir haben in vielen Filialen mehr verkauft als sonst, aber in gewissen auch deutlich weniger. Im Online-Lebensmittelshop My Migros verzeichneten wir einen doppelt so grossen Umsatz wie bisher. Und bei den Fachmärkten, wo wir eine Live-Videoberatung einführten, stiegen die Umsätze um das Fünf-, zum Teil sogar um das Zehnfache. Aber das Online-Business hat trotz allem den stationären Ausfall nicht kompensieren können.

Wie gross ist die wirtschaftliche Herausforderung für die Migros?
Die Liquidität ist für uns kein Problem. Daher haben wir auch keine Kredite des Bundes beansprucht. Aber wir haben für einen Teil unserer Mitarbeitenden seit Ende April Kurzarbeit eingegeben. Dies insbesondere für die vielen Kleinpensen von Lehrpersonen der Klubschule und Freizeitanlagen, vereinzelt auch für Mitarbeitende in der Gastronomie. Dabei übernimmt die Migros die 20 Prozent Lohnausfall, die nicht durch die Kurzarbeitsentschädigung gedeckt sind.

Die Umsätze sind eingebrochen. Müssen die Gemeinden mit Steuerausfällen rechnen?
Wir möchten berechenbar bleiben, was die Steuern anbelangt. Auch in Zukunft. Wir müssen jetzt einfach abwarten, wie sich alles entwickelt. Wir werden Massnahmen ergreifen müssen, damit wir unser Ergebnis mit diesen Mehraufwänden und Mindereinnahmen im Lot halten können. Aber es ist zu früh, um konkreter zu werden.

Erst im Herbst 2019 haben Sie ein Sparprogramm und die Streichung von 300 Stellen angekündigt. Werden weitere folgen?
Eine Konsequenz von Corona ist, dass wir das Sparprogramm schneller durchziehen. Anstatt Ende Jahr werden die Projekte schon Mitte Jahr abgeschlossen sein. Auch weil wir noch Dinge lancieren wollen, für welche es wieder Leute braucht.

Das tönt ganz so, als würden Sie weitere Digitalisierungsschritte anpeilen. Oder täuscht das?
Wir haben mit der Live–Videoberatung und der Wiederaufnahme des Lieferdiensts Amigos gezeigt, dass wir schnell reagieren können. Wir werden auch andere Projekte im digitalen Bereich vorantreiben. Denn der Onlinehandel hat in den letzten Wochen exorbitant zugenommen. Natürlich wird das wieder zurückgehen, aber niemals auf das gleiche Niveau wie vor Corona.

Wegen Corona mussten viele Kulturveranstaltungen abgesagt werden. Künstlerinnen und Künstler haben Existenzängste. Was passiert in dieser Situation mit dem Migros-Kulturprozent?
Wir brauchen das Geld für unsere langjährigen Partner. Wir haben von niemandem Geld zurückgefordert, der einen Anlass nicht durchführen konnte. Weder von Festivals noch von den Veranstaltern der Museumsnacht in Bern. Es geht darum, dass der Konkurs verhindert werden kann. Wir schauen, dass sie genügend Schnauf haben, indem wir helfen, ihre Liquidität sicherzustellen. Das machen wir übrigens auch bei den Volksläufen so, wo viele Teilnehmer ihre Gelder zurückforderten, die Veranstalter aber trotzdem laufende Kosten zu decken haben.

Sind Sie auch so kulant mit den Mietern in den Shoppingcentern? Gibt es für sie einen Mieterlass?
Wir sind auf jeden Fall mit all unseren Mietern in Kontakt und am Verhandeln bezüglich eines Mieterlasses. Als Sofortmassnahme haben wir die Mieten von drei Monaten bis September gestundet. Bei Härtefällen, vor allem bei kleineren und mittleren Unternehmen, suchen wir Lösungen, damit sie keinen Konkurs anmelden müssen.

Wie beurteilen Sie die Arbeit des Bundesrates in dieser Krise?
Die Behörden im Allgemeinen und der Bundesrat im Speziellen haben in meinen Augen einen ausgezeichneten Job gemacht. Sie haben konsequent und zugleich mit Weitsicht agiert. Auch jetzt bei der Öffnung. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir gut beraten sind, nichts zu forcieren, wenn wir nicht eine zweite Welle riskieren wollen.

Was ist nun besonders wichtig?
Enorm wichtig ist momentan vorausschauendes Handeln. Mögliche Entwicklungen zu antizipieren und unterschiedliche Szenarien vorzubereiten, sind nicht nur in der aktuellen Lage, sondern ganz generell elementare Aspekte unserer Geschäftstätigkeit. Dank dieser Einstellung steuert die Migros Aare bislang verhältnismässig gut durch die Krise. 

Was nehmen wir aus dieser Krise an Positivem mit?
Gemeinsam werden wir das schaffen. Es stimmt mich äusserst zuversichtlich zu sehen, wie kompetent und engagiert die Mitarbeitenden der Migros Aare in dieser Pandemie gehandelt haben, und ich bin mir sicher, dass unser Unternehmen gestärkt aus der Krise hervorgehen wird. Beispiele wie My Migros oder die Live-Videoberatung in den Fachmärkten zeigen, dass wir innovativ, kreativ und in der Lage sind, uns rasch und erfolgreich auf neue Situationen einzustellen. Die Migros Aare ist zukunftsfähig!
 

Interview mit Auszügen aus dem Bericht in der Aargauer Zeitung vom 11. Mai 2020. 

Zum Interview mit der Handelszeitung